Kosmonaut im Farbsternregen

Ausgedrueckte Eindruecke

Raserei mit Zwischenstop Mai 28, 2009

Filed under: Eindruecke,Tagebuch,Zitate — Sebastian @ 9:35 pm
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„There are layers of realities before us, behind us, around us, and in us, and we stay in a layer no matter how far we travel until the spirit admires our courage and grace and allows us to sprout into another zone of experience.“ (Martín Prechtel Secrets of the talking jaguar, Thorsons 2002)

Der letzte Abend in Huanchaco laesst sich selbst fast nicht der letzte sein. Ab geht es mit Joey, Mary, Cathrine und Magret ins Chillout, der Bar von William, einem alten Englaender mit weissem Bart, in der ich Ravi wiederfinde. Wichtig, weil er noch meine Sonnenbrille hat. Die taucht leider nicht mehr auf, dafuer ein ganzer Tisch voll Trujillo Bier und Rum und leckeren Burgern. William rennt die ganze Zeit wie angestochen durch die wenigen Tische und laesst ueberall Sprueche fallen die mich aus dem Lachen nicht mehr rauskommen lassen „You are tired? Get your ass out of here, on the other side of the street is a police car, they know how to solve that!“ Er macht aus sich gerne ein Mysterium, schafft er! Die Zeit rennt und so falle ich fast zu spaet in mein Taxi, rase durch die vernebelten orangen Strassenbeleuchtung hindurch und will eigentlich wieder zurueck. Schoener Abschied, Williams „Everybody who leaves Huanchaco gets one kilo of cocaine“ klingelt immer noch in meinen Ohren und so versacke ich mit einem Laecheln hinter meinem Panoramafenster im Bus Richtung Piura.
Meine Zeit im Land der bauchstreichelnden Machomaennern neigt sich dem Ende zu. Fahre durch die Nacht nach Piura, steige sofort in den naechsten Bus und bin drei Stunden spaeter in Máncora, dem Sommerferienziel der Argentinier und Chilenen und obligatorischen Stop auf dem Gringotrail. So sieht es hier auch aus und ich bin innerhalb von Sekunden froh so lange in Huanchaco geblieben zu sein. Verkruemel mich den Tag in eine Oekobar, esse pan à la Alemania und lese. Am Abend geht es dann weiter, ueber Nacht von Máncora nach Guayquil, Ecudaor, morgens gleich weiter weitere neun Stunden nach Quito und von dort drei weitere Stunden in den Abend hinein nach Otavalo. Ich fliege durch Zeit und Raum waehrend das Leben um mich herum weiter geht. Leute steigen hinzu und wieder aus und ich starre aus dem Fenster in die Welt hinein, aus der ich mich fuer zwei Tage tunnelartiger rastloser Raserei verabschiedet habe. Tauche uebermuedet aus meinem Buss spaet Abends in Otavalo wieder ins Leben ein, suche und finde ein Bett uns schlafe, lange, sehr lange.

IMG_0058Otavalo soll einen der buntesten und groessten artesania Maerkte in Sued Amerika haben. Gross und bunt ist er. All die Haengematten, Pullover, Teppiche und Ponchos die ich auf meinem Weg von Argentinien, Chile ueber Bolivien und Peru bisher gesehen habe scheinen hier her zu kommen. Ueberall sind bunte Staende und Geschaefte. Andere wiederrum verdienen hier ihr Geld mit dem Export der bunten Sachen was ich bisher noch nie gesehen habe. Melonengrosse Spindeln mit Garn werden ueberall angeboten. Auch hier kleckern die Menschen nicht mit der Masse des Angebotes was interessant zu beobachten ist, denn in Europa geschieht eher das Gegenteil. In Berlin wird der Preis durch reale oder vorgegaukelte Einzigartigkeit der Produkte hochgehalten. In Gesellschaften relativer Armut ist das genau anders herum. Interessant wird es, wenn Reisende aus Europa auf diesen Ueberfluss treffen. Er suggeriert eine Art Beliebigkeit waehrend von den lokalen Verkaeufern eher das Gegenteil bewirkt werden soll. Hier werden Haengematten und Teppiche, Armreifen und Ohrringe wie Fruechte angeboten wo sie doch psychologisch aus westlicher Perspektive betrachtet nicht zusammengeworfen werden sollte. So schleichen die Europaeer und Amerikaner mit ihren vollen Geldbeuteln durch die Staende, bloss nicht irgendetwas interessant findend, denn sonst beisst der Verkaeufer sofort an und man geraet in Erklaerungsnotstand warum man dies und jenes trotz des guten Preises nicht kaufen moechte. Die Konkurenz ist hart. Mir scheint es bestuende die Moeglichkeit sich hier hervorzuheben, denn alle Materialien sind vorhanden, es bedarf nur einer Idee. Ohne Frage, es gibt viele schoene Sachen, doch es kommt mir vor wie ein Zustand, nicht wie eine Suche. Wie auch schon in Bolivien und Peru mangelt es hier in Ecuador den wenig gereisten Menschen an neuen Ideen die das Interesse der offenen Geldbeutel anzieht. So ziehen die Touristen weiter, kaufen hier und dort was, aber eben nicht genug. Die schoensten Sachen und besten Ideen haben auch hier wieder die Argentinischen artesanias, was vermutlich an ihrer kulturellen Naehe zu den Europaeern aber auch an ihrer Moeglichkeit liegt besser auf die Geschmaecker ihrer Kundschaft einzugehen, weil sie schon einmal ueber die Landesgrenzen geschaut haben. Die Ecuadorianer verlieren ihre Wurzeln nicht, wenn sie aufhoeren wuerden gigantische Lamas auf einen Grossteil ihrer Produkte zu verewigen, gewinnen aber mit Sicherheit ein paar neue Kunden. Denn ohne Frage ist es auch ein lokaler Markt, aber die Menschen machen wie fast ueberall auch hier das Geld mit den Touristen. So wuerde ein Zweigleisigkeit den Ecuadorianern helfen genug Geld mit den Sachen zu machen um weiter ihren Stolz in ihrer eigenen Kultur weiterleben zu koennen, deine eine gewissen Verzweiflung ob der starken Konkurenz ist zu spuehren.
Ecuador ist nicht nur geographisch ein Schritt Richtung Nord Amerika. Der Dollar ist die offizielle Waehrung, nur ein wenig Ecuadorianischen Wechselgeld schwirrt noch herum. Hier, im dicht-besiedelsten Land Sued Amerikas, gibt es ploetzlich wieder Privatautos. Ich habe das Gefuehl, dass die Menschen hier zwei Identitaeten leben, die Amerikanische und ihre Indigene. Beides scheint nicht im Zorn zueinander zu stehen. Ecuadorianer sind wieder signifikant kleiner als Peruaner. Manche sogar so klein, dass ich mir manchmal nicht sicher bin, ob sich nicht doch noch um Kinder handelt. Ein Teil rennt in traditioneller Kleidung durch die Strassen, ein groesserer aber mit Basecap, schicker Sonnenbrille, Jeans und Sweater. Die Trachten der Frauen sind kleident, traditionell, weit weg vom westlichen urbanen Modegeschmack, stehen entfernt im Verhaeltnis zu den Trachten in den Peruanischen und Bolivianischen Anden. Die Trachten der Maenner sind wirklich schoen – weisse Faltenhosen, Jackets, Huete – mit denen koennte man ohne Probleme in den Grossstaedten der Welt hin und her laufen. Ist natuerlich kein Masstab, bin aber entzueckt ob der Schoenheit der Kleider. Ecuadoriansche Augen sind offen, voller Herzlichkeit, mit einem gesunden Stolz und der es total angenehm macht hier durch die Strassen zu wandern und mit den Leuten zu quatschen. IMG_0052Sie sind entspannt und ich spuehre, dass ich nicht ein unbekannter Wanderer aus fernen unbekannten Laendern bin. Kleine Gesten werden verstanden, ich verstehe die Ecuadorianer. Alles laeuft entspannt und locker ab ohne verkrampfte Freundlichkeiten, ohne ueberschwappendes Interesse, ohne sinnlose Fragen zu stellen. Angenehm und einladend. Der stolze Ecuadorianer traegt lange Haare, die stolze Ecuadorianerin ihre Schoenheit und das Ecuadorianische Kleinkind seine gigantischen pechschwarzen Aeuglein zur Schau. Das Strassenbild ist auch dadurch veraendert, dass es hier im Gegensatz zu Bolivien und Peru wieder Bettler gibt. Die einzige Erklaerung die mir dazu einfaellt ist, dass hier wieder genug Geld in der Gesellschaft sein muss, dass es sich lohnt, denn Bettler koennen allein vom Tourismus nicht leben. Eine andere Erklaerung kann in einer unterschiedlichen Organisationsstruktur der Gesellschaft liegen. Es gibt wieder musikalische Vielfaelltigkeit und erstaunliche Naehe zu westlichen Geschmaeckern. Bassdroenende Hip Hop Gefaehrte schleichen durch die Strassen. Indigene Klaenge werden mit Beats verfeinert, oder zerstoert, je nach dem wie man es sieht. Alles wirkt ungeheuer sympathisch und locker. Sicher ist es das nicht immer, aber die Sued Amerikanische Nuance an Lebensgefuehl gemischt mit ein wenig mehr oekonomischer Potenz fuehrt zu einer interessanten und anziehenden Mischung. Die Menschen vertrauen sich hier mehr. Muss man sich Vertrauen leisten koennen? Nicht alle Fenster sind mehr vergittert, meist nur noch die erste Etage und selbst die ist oft freundlicher und einladender als bei den suedlichen Nachbarn. Die Leute verkaufen ihre Sachen nicht mehr durch Gitterstaebe, Sachen liegen offen herum. Das ganze Strassenbild wirkt freundlicher und offener. Das muss ich mir spaeter noch genauer anschaun und erleben – aber erstmal will ich weiter nach Kolumbien.
IMG_0082Montag Morgen, mein Wecker klingelt, wache auf, das magische Licht der Sonne strahlt schon hinter dem tronenden Cerro Imbabura von Otavalo hervor. Wolkenschwaden umspielen die Spitze und lassen ihn aussiehen wie eine leuchtende Torte mit Zuckerguss. Dies war die erste Nacht in der sich die fuer mich unsichtbaren Haehne zwischen den Steinwaenden in den Hinterhoefen kein Duell naechtlichen Kraehens geliefert haben. Nur ein zarter Schrei untermalt an diesem Morgen meinen Blick von meinem Fenster auf die bewaldeten Huegel in der Naehe, den bezaubernden Berg in der Ferne, beides von feuchtem fruchtbaren Morgennebel umschmeichelt. Ich kann den Tau riechen der auf den schattenhaften Baeumen liegt. Meine elektrische Dusche tropft immer noch. Doch diese Nacht habe ich sie kaum gehoert nachdem ich herausgefunden habe, dass wohl die Decke auf meinem Bett an den naechtlichen Niesattacken Schuld war und ich sie darauf hin bis zum Bauch runtergeschoben habe. Meinen Oberkoerper mit einem langen Rolli vor der naechtliche Kuehle von 2560 Meter ueber dem Meeresspiegel schuetzend bin ich durch die Nacht gesegelt, beseelt von dem Glueck des gestrigen Abends, der Ausgeglichenheit und Blitzen dieser Tage. Stolpere mit meiner blauen Kaffeetasse und einem Ei in der einen und dem gemahlenem Kaffee in der anderen Hand den hoelzernen Weg an den anderen Zimmern vorbei. Diesmal wird mein morgendliches Ritual von schraegen elektronisch vermischten Popsongs der 90er Jahre begleitet – um 6:30 Uhr am Montag frueh – die Hunde in der Nachbarschaft fangen an zu bellen. Immer noch eingenommen vom dem aufgehenden Licht und benommen vom Morgenduft in der Bergluft giesse ich den ersten wirklich guten Kaffee, den ich in Sued Amerika gefunden habe, Sorte Caracolillo aus Villa Rica und Chanchamayo in Peru, auf – Kaffeeduft erfuellt die morgendliche Frische. Zurueck im Zimmer wacht der suchende Wanderer in meinem Buch gerade irgendwo im Urwald zwischen Mexiko und Guatemala von tausenden grossen himmelblauen Schmetterlingen bedeckt in seiner Haengematte auf. Schluerfe meinen Kaffe, esse die letzten Scheiben meines eroberten pan integral aus Máncora mit Mozerella, packe meinen Rucksack und trete aus der Tuer hinaus auf die erwachende Strasse – Blick Richtung Kolumbien.

Der erste Bus fuehrt mich nach Ibarra. Eine Ecuadorianerin in schwarz-weisser Tracht und vielen duennen gold-farbenen Ketten setzt sich neben mich. Spuehre, wie sie mich ueber die leicht spiegelnde schwarze Scheibe vor uns mit ihren pech-schwarzen Augen neugierig beobachtet. Drehe meinen Kopf, schaue ihr in diesem Spiegel direkt in die Augen und laechel sie an – zwei Sekunden spaeter laechelt sie zurueck. In Ibarra angekommen steige ich um nach Tulcán, dem Grenzort an der Kolumbianischen Grenze. Schon stuerzen sich wieder die Geldwechsler auf mich „¿Cambio, cambio?“. Der Grenzuebergang ist trotz des Konfliktes unerwartet einfach. Treffe zwei Argentinier und einen Peruaner und wir fahren zusammen mit nem Taxi rein in den ersten Ort nach der Grenze – Ipiales. Der Taxifahrer raet uns davon ab hier auch nur ein Schritt zu Fuss zu gehen. Den Satz hoer ich nicht zum ersten Mal auf meiner Reise. Es nervt! Es produziert Angst und Unsicherheit ohne eigene Erfahrung. Es schraenkt ein und man macht sich auf die Suche nach dem naechsten Bus oder Taxi obwohl man auch die vier Blocks haette locker gehen koennen. Meine neuen Begleiter lassen sich davon stark beeinflussen und schon habe ich das Gefuehl mich ganz schnell wieder von ihnen trennen zu muessen um das beengende Gefuehl in Brust- und Magengegend loszuwerden. Unbestritten ist Europa oft sicherer, aber in einem Klima der Angst zu reisen macht wenig Sinn, dann kann man gleich zu Hause bleiben. Wenn man die Augen offen haelt und nicht hilflos in leere Strassen reinpeilt muss man schon grosses Pech haben. Und wenn doch etwas passiert ist es dann so. Besser als sich auf den eigenen Wege von wagen eingepflanzten Angstgefuehlen beeinflussen zu lassen. Wenig spaeter sitzen wir doch zusammen im Bus nach Putumayo, der Hauptstadt der Region Putumayo die besonders bekannt fuer die Auseinandersetzungen zwischen der FARC, den Kokabauern und dem Militaer der Regierung ist. In der Naehe der Panamerika ist es sicher aber rechts und links davon tobt der Konflikt. Die Anden werden wieder spektakulaerer. Die Farben sind waermer als in Ecuador, Schluchten, wilde Felsformationen. Nach acht Stunden Fahrt kommen wir am Abend im fast leeren terminal terrestre in Putumayo an. Entgegen allen Erwartungen bekomme ich doch noch einen Nachtbus weiter nach Bogota. Versuche es mir irgendwie auf zwei leeren Sitzen gemuehtlich zu machen, aber die Klamanlage laesst mich frieren und das unentwegt Schaukeln, Droehnen und Wackeln des Busses lassen mich kaum einschlafen. Und doch versinke ich irgendwann in der Nacht nach dem einem langweiligen Anaconda-Schocker in einen Daemmerschlaf.
Die ersten Morgenstrahlen kitzeln mich jedoch frueh wieder wach. Wir fahren gerade das Tal des Rio Magdalena entlang, dort wo sich die Anden gespaltet haben, den Weg den damals auch Símon Bolivar genommen hat, nur halt auf der neuen Asphaltstrasse. Mediteranes Flair, Bananenpalmen und farbige Finkas, warm leuchtende bewaldete Haenge, magische Wolkenformationen, mit all dem heisst mich Kolumbien willkommen. Doch dann geht es wieder den Berg hoch Richtung Hauptstadt. Endlich komme ich nach auch schon wieder 1000 Kilometern seit der Grenze in Bogota an und ich steige wieder ein in ein Leben ausserhalb von Bussen und deren Haltestellen – wunderbar erleichterndes Gefuehl!

 

Zurueck nach Huanchaco Mai 20, 2009

Filed under: Tagebuch — Sebastian @ 1:56 am
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IMG_9881Es ist warm, krieche aus meiner Haengematte, schlaengel mich unteren denen der anderen Passagiere hindurch und schlurfe zum wiederholten Male an der Frau vorbei, die die ganze Zeit mit einem Kreuz in der Hand mit geschlossenen Augen betet und deshalb nicht mal bei der Essensausgabe ihren Teller in der Hand halten kann und steuere auf das Heck des Schiffes zu wo sich die Duschen, Waschbecken und Toiletten befinden. Eine der Toilettentueren in der hellblauen Schiffswand springt auf und ein kleines nacktes Maedchen mit einem knallgelben Handtuch ueber der Schulter grinst mich an „¡Hola gringos!“ – ich bin zurueck auf dem Boot – diesmal zurueck nach Yurimaguas. Ein gigantischer tropischer Gewitterschauer hat mich aus dem puerto Masusa verabschiedet. „It was mental, man – mental!“ Reise diesmal mit Thomas, Ravi und Markus. Thomas, ein Englaender, hat mir den Spass an der Englischen Sprache zurueckgebracht. Ravi ist Inder und Markus Hollaender. Alle wollen sie auch nach Huanchaco, zum surfen und arbeiten. Es ist eine schoene Fahrt. Wir klettern oft auf das Dach der lancha, trommeln, jonglieren, lesen und gammeln einfach nur wieder in den Haengematten. Flussaufwaerts dauert die Fahrt 24 Stunden laenger. Es ist also viel Zeit dem Kaffewasser des Flusses beim gurgeln zuzugucken. Oft sieht es aus, als ob jemand gerade frisch Kaffesahne in den frisch duftenden Sonntag-Morgen Kaffee gegossen hat. Die rosafarbenen Flussdelphine begleiten uns wieder streckenweise und Adler gleiten neben uns ueber das satte Gruen des Urwalds. Eine Wasserschlange schlaengelt quer ueber den Fluss. Tiefgruene Palmenblaetter und gelbe Kokosnuesse spiegeln sich im Wasser. Abends leg ich mich oft auf Dach, hoere Musik, lasse mich unter den aufgehenden Sternen entlanggleiten und verliere mich in meinen Traeumen – das Licht des Vollmondes deckt mich zu. Die Ruhe wird nur gestoert von den Fernsehern mit denen dieses Boot leider ausgestattet ist und die zu allem Unglueck auch hin und wieder angehen. Denen bin ich dann ausgeliefert auch wenn ich das Kabel der Box genau ueber meinem Gesicht schon rausgezogen habe und aufpasse das der uebereifrige Matrose es nicht wieder zusammenflickt. Manchmal faengt ein Baby dicht neben mir an zu schreien und mit ihm kraechzen zwei Papageie die ein gelangweilter Passagier in einem der kleinen Doerfer gekauft hat.

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In Yurimaguas nach rund 60 Stunden angekommen geht das Gezerre um uns los. Am Ende landen wir auf der billigsten Mitfahrgelegenheit nach Tarapoto – einem Pickup mit Aufbau. Da alle auf der 8 Nuevo Soles Ladeflaeche, nicht aber im 15 Nuevo Soles Inneren mitfahren wollen wird es sehr schnell sehr voll und Ravi, Thomas und ich muessen uns hinten an das Metallgestell ranhaengen. Ravi fuehlt sich als Inder natuerlich wie zu Hause. Eine irre Fahrt, surfend in jeder Kurve geht es wieder rein aus dem Tiefpand in die ersten Huegel nach Tarapoto. Die drei Stunden hinten haengend sind irre anstrengend und darum geht auch am Ziel nicht mehr viel, ausser dass wir mitbekommen, dass die naechste Streikwelle schon wieder im Anmarsch ist, wir also uns vornehmen so schnell wie moeglich am naechsten Morgen Richtung Kueste zu verschwinden. Daraus wird dann nichts, die Ereignisse ueberholen uns und die Polizei faengt schon am Morgen an mit den campesinos zu verhandeln doch die Strasse wenigstens fuer bestimmt Zeiten wieder zu oeffnen. Die wuetenden Bauern haben sich also nicht an die Geruechte gehalten die einzige Strasse nach Westen erst in der kommenden Nacht zu bestreiken. IMG_9908Haett ich mir auch denken koennen, denn am Vorabend ging es auf dem Plaza schon rund. So geht also das Spiel von vorne los. Wir versuchen heraus zu bekommen wie weit es bis zur ersten Strassensperre ist um den sich um uns streitenden Motortaxifahrern nicht die kompletten Tageseinnahmen mit einer Fahrt zu schenken. „¡Amigo, amigo!“ – die sind wir jedoch nicht mehr als wir noch kurz was essen, kurzlebiges Geschaeft, muss man sich dran gewoehnen. Wenig spaeter stehen wir dann vor der ersten Sperre an ein Durchkommen ist nicht zu denken. Die Polizei schirmt die Demonstranten auf der Strasse ab, oder diejenigen die durch wollen von den Demonstranten. Immer mehr Leute kommen uns entgegen „¡No hay paso, no hay paso!“. Rechts der Strasse wuchern riesige Bananenplantagen vor sich hin und auf der linken Seite tuermen sich die Anden hinter den Farmen auf. Die Sonne scheint so nahe wie nie und trotzdem laufen wir los. Den lokalen Kommentaren darf man hier meist kein Glauben schenken, auch wenn fast alle Menschen zurueckkommen gibt es meist einen Weg. An der Polizei und der Menschenkette angekommen schaue ich mich um, alle rennen irgendwie irgendwo hin. Ein riesengrossen Durcheinander. Ein Mann zeigt ploetzlich auf ein Loch im Zaun, einige fangen an in die Richtung zu laufen, die Polizei rueckt vor und scheint in die gleiche Richtung zo wollen um ein Zusammenstossen der Streikbrecher und der Streikenden zu verhindern. Kurzerhand rennen auch wir auf die Zaunluecke zu die auf irgendein Feld zu fuehren scheint. Es muss schnell gehen, denn ist ist weiterhin nebuloes was die Polizei dort treibt. Schmeisse den Ruecksack ueber den Zaun und klettere hindurch und finde mich ploetzlich in einem kleinen Strom von Menschen wieder, der sich seinen Weg ueber die Stege zwischen den unter Wasser stehenden Reisfeldern bahnt. Die Stege sind nur an der Oberflaeche trocken und sehen aus wie Krokodilhaut. Wenn man ueber sie laeuft, ist es weich und man wippt so ein wenig bei jedem Schritt in eine andere Richtung, vor allem wenn man einen gigantischen Rucksack auf dem Ruecken hat. So geht es im Zickzack ueber die Felder, durch mooriges Grass und durch weitere Zaeune. Komme mir vor wie bei einer illegalen Grenzueberquerung. Aber der Pfad fuehrt ueber einen grossen Bauernhof und zwischen riesigen Flaechen auf denen die Bauern Getreide, Mais und Kaffee trocknen wieder zurueck auf die Strasse – hinter die campesinos. Auch hier stehen gigantische Schlangen von Bussen, LWKs und ein paar Autos. Natuerlich war das nicht die einzige Sperre und so geht es weiter. Die naechste wird jedoch einfacher, wir duerfen passieren. Ueber Moyobamba  geht es in zwei Etappen in 10 Stunden nach Bagua Grande. Ein Hoellenritt wie sich jeder ausmalen kann der einmal diese kleinen ueberfuellten Micros betreten hat. An eine Weiterfahrt ist also nicht zu denken. So bleiben wir eine Nacht in dem Andental und fahren am naechsten Abend ueber Nacht weiter zurueck in die Wueste nach Trujillo.

IMG_9983Zurueck in Huanchaco ist alles beim Alten geblieben, ausser das Wetter. Es ist kuehl geworden im letzten Monat und wenn die Sonne gerade mal nicht hinter dem Nebel hervorguckt, dann ist es ohne Pullover ein wenig zu kalt – Willkommen in der Nebensaison im Peruanischen Winter an der Kueste! In den Bergen klarrt das Wetter im Winter auf und es ist Hochsaison. Im Urwald duerfte es wie immer heisst sein, auch wenn uns die Leute in Iquitos versichert haben, dass es gerade etwas frisch dort ist – ich habe nichts davon gemerkt. Daller wieder zum Naylamp um die Wellen von meinem Zelt hoeren zu koennen. Es sind entspannte Tage zwischen Zelt, Haengematte mit meinem Buch, Slackline, Eis, Kaffee und den leckeren Schokokuchen und Apfeltorten unten an der Rezeption. Der Campingplatz ist fast leer, nur Joe und Mary – zwei Kanadier – sind noch da. Die Abende auf der Terasse zusammen mit zwei anderen Maedels werden lang und laenger und die Sache um jeden Tag entspannter, so dass es mir schwer faellt wieder loszureisen. Der Ort ist fast leer, viele Amerikaner sind doch da die den Kindern hier Englisch beibringen und surfen. Die Leute sind entspannter. Die Crew des Naylamp hat wenig zu tun aber Rumi, der gigantische Wachhund, haelt alle in Bewegung. Sie fangen ihn gerade an zu erziehen. Ist noch einiges zu tun bis er nicht mehr Kekse, Kornflakes oder Fruechte aus der Kueche oder aus meinem Zelteingang klaut. Huanchaco wird in den Tagen neben El Bolsón zu einem meiner Eckpunkte meiner Reise, solch Orte in denen man sich zu Hause fuehlt, sehr schwer wieder loskommt und bestimmt wieder zurueckkehrt wenn man in der Naehe ist.
Doch bin ich ein wenig muede. Bis Caracas ist es noch ein Stueckchen. So werde ich wohl Dienstag den Nachtbus nach Piura nehmen und dann irgendwie ueber Ecuador nach Bogota, Kolumbien, duesen um danach so schnell wie moeglich hoch in die Karibik zu kommen.

 

Vom Pazifik durch die Wueste ueber die Berge in den Dschungel April 26, 2009

Filed under: Tagebuch — Sebastian @ 9:59 am
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Lima trudelt aus. Es wird Zeit zu gehen, ich habe die letzten beiden Wochen zu viel Deutsch gesprochen. Dennoch hat es sich richtig gelohnt und ich bin mir sicher, dass Fabian und ich uns wiedersehen werden. Vieleicht schaue ich noch bei dem Schulprojekt von Jakob in Huamachuco vorbeit, aber das wird sich zeigen.

img_9235Bekomme gegen alle Verheissungen saemtlicher Taxifahrer trotz Semana Santa ein Ticket gen Norden. Die Busfahrt nach Trujillo ist toll – die Peruaner schaffen es ohne Sauerstoff in einem Raum zu ueberleben. Mir geht es dabei denkbar schlecht. Aber da so eine Fahrt endlich ist, sitze ich bald gluecklich bei Schokokuchen, Fruchtsaft und Kaffee im Mercado Central in Trujillo und wenig spaeter im Micro nach Huanchaco, dem Bade- und Surfort an der Kueste. Auch hier ist noch alles Wueste. Es ist schoen wieder das Fauchen des Pazifik zu hoeren. Die schroffen Wuestenberge an der Kueste sind immer im Nebel verhuellt, nur die Spitzen gucken heraus. Die Kakteen zwischen den Haeusern wiegen in der leichten Briese und die Surfer schwimmen wie Treibgut vor der Kueste hin und her – immer wartend auf DIE Welle. Schlage mein Zelt im Naylamp auf und mache es mir fuer zwei Tage bei Kaffee und Honigcrackern an der Kueste gemuetlich. Fahre noch zu zwei Pyramiden in der Naehe von Trujillo, Huaca del Sol y del Luna, die von der Moche Kultur zeitlich kurz nach der Nazca Kultur erbaut worden sind. Mein Anti-Inka Programm setzt sich also fort – es ist ein Spiel und irgendwie mein Dickkopf gegen diesen absurden Tourismushype um ein paar alte Steine rund um Cuzco. Zum Abschied vom Meeresrauschen esse ich noch einmal Ceviche welches hier viel schaerfer ist als in Chile und mit Kartoffeln und anderen Sachen serviert wird, die ich noch nicht identifiziert habe. Es ist eine Art Andensushi bei dem der Fisch fast roh mit Zitrone zubereitet wird und dazu gibt es je nach Region alles moegliche.
In diesem Moment steht fuer mich fest, dass ich schnell durch Ecuador reisen werde um zum Schluss noch am Strand im Norden von Kolumbien und Venezuela meine Haengematte aufspannen. Doch erstmal will ich in den Dschungel. Nehme einen Bus nach Cajamarca. 10 Stunden fuer 300 Kilometer – jetzt bin ich in dem anderen, viel interessanteren Peru angekommen. Die ersten Stunden passiert der Bus den Wuestenstreifen an der Kueste, dann geht es hoch in die gruenen Berge, denn Cajamarca liegt wieder ueber 2000 Meter. Dort angekommen werde ich ein wenig enttaeuscht, die Stadt ist nicht das was ich mir vorgestellt habe. Sie ist ein wenig langweilig, ich kann nichts spezielles entdecken. Darum renne ich gleich zu den Jungs von Movil Tours, die mich schon auf der Strasse angequatscht haben und kaufe ein Ticket ueber Celendin nach Chachapoyas – veranschlagt sind 12 Stunden fuer rund 300 Kilometer. In Cajamarca tragen die Indios ploetzlich grosse beige-bastende Cowboyhuete. Ueberall gibt es Kaese, Jughurt und allerlei Milchprodukte aus der Region zu kaufen. Ungewoehnlich, denn bis jetzt schien Gloria den Joghurtmarkt fest in der Hand zu haben.
img_9296Am naechsten Morgen um 6 Uhr geht es dann los, mache es mir in meinem Sitz bequem und versuche mich zu entspannen, denn die Strasse haelt alles, was ich bisher von Gebirgsstrassen in Peru gehoert habe – sie ist schmal, matschig und abwechelnd geht es rechts hoch und links runter, oder halt recht runter und links hoch. Versuche mich an dem Anblick von beaengstigender Tiefe gleich neben meinem Fenster zu gewoehnen – die Strasse ist nur selten zu sehen, die Raeder kriechen den Abhang entlang. Nach den ersten vier Stunden erreicht der Bus mit mir, der langsam anfaengt mit dem Sitz zu vereinen, Celendin – den ersten groesseren Ort auf der Strecke. Es steigen ein paar Leute aus und ein paar dazu. Unter ihnen sind zwei Spanische Feuerwehrmaenner aus Barcelona – Ricardo und Fernando, die mit ihrem Vater – Antonio – durch den Norden von Peru reisen. Interessant wird es, quatschen viel herum und mein Glueck mit den Leuten die ich treffe scheint nicht abzureissen. Es geht den Berg in unendlichen Schlaengellinien hoch und wieder runter. Ueberall stehen Kakteen aller Form und Groesse zwischen dem niedrigen Straeuchern und Bueschen – manche aehneln Baeumen und sind bis zu 8 Meter hoch. Der Boden ist weiterhin lehmig und manchmal wird meine neu-erworbene Entspannung bezueglich der Strasse arg auf die Probe gestellt. Wir passieren Balsas, einen kleinen Ort im Tal der komplett mit Bananenstauden und Papayabaeumen ueberwuchert ist, bevor es nach einem grossen braunen sich dahinwaelzenden Fluss wieder den Berg hoch geht. Gleich nach der Bruecke kommt uns schon ein Pickup entgegen, die Leute hinten auf der Ladeflaeche rufen uns zu, dass der Pass verschuettet ist. Ich kann es noch nicht glauben, alles gucken sich etwas fragend an, aber unsere beiden Fahrer fuehren ihr Kunststueck weiter fort und steuern zielsicher die immer duenner und hoeher werdende sich unendlich viele Male windende und schlaengelnde Strasse herauf. Sie ist wirklich gesperrt. Zwei Bagger sind gerade dabei den schmalen Grad irgendwie wieder freizuschaufeln – Steine stuerzen in die Tiefe, hallen in den Felswaenden wieder. Also machen wir es uns erstmal bequem. El Peru Avanza ist kraeftig am wirken, aber 17:00 soll Feierabend sein – also hoeren die Arbeiter 16:30 auf zu arbeiten und ruecken ab – El Peru Avanza, heute aber nicht nach Chachapoyas. So machen wir es uns auf der Strasse bequem, schicken ein Auto runter um etwas zu Essen zu kaufen und zuenden ein Feuer an. img_9331Unter den Sternen gibt es calletas und Papayas aus dem Dorf – mehr war nicht aufzutreiben. Schlafe mit Fernando und Ricardo in der sternenklaren Nacht auf der Strasse waehrend die aufgeregten Frauen im Bus uebernachten. Am naechsten Morgen tauchen die Bauarbeiter ueberraschend frueh auf, naive Hoffnung keimt auf, wird aber wenig spaeter wieder zerstoert. Die Jungs sind zwar da, koennen aber nix machen weil der Baggerfahrer mit dem Praesident der Amazonasregion erstmal wegfaehrt – Kontakte knuepfen. So stehen die Maennchen mit ihren orangen Jacken wie eine Perlenkette vor dem Schutthaufen auf der Strasse und doesen. Drei Stunden spaeter taucht der Fahrer wieder auf, hat Benzin und ein neues Rad fuer sein Fahrzeug mitgebracht. Der Praesident des Amazonas-Destriktes schreitet erhobenen Hauptes an uns vorbei, eine ganze Horde von krumm-rueckigen Typen hinterher. Einer laesst im Auftrag des Herrn Praesidenten drei Papayas bei den Gringos – was ein Schauspiel. Der Truck mit dem Rad wird wie von Zauberhand innerhalb einer Stunde auf der schmalen Passtrasse umgedreht – was fuer ein gigantischer Unsinn, denn zum Bagger kommen sie mit dem Ding wegen unseres Busses und einem anderen Laster soweiso nicht durch – Peru. Wenn man hier also eines lernt, dann ist es sich zu entspannen. In der Mitte des Tages passiert dann doch ein Wunder, frueher als erwartet geht es weiter. Wir muessen ein paar Mal aussteigen, weil die Strasse zu eng ist und es im Bus zu gefaehrlich gewesen waere. Da unsere Fahrer ihren rechten Aussenspiegel an einer Felskante in einer Kurve verlieren, kriechen wir ohne diesen ueber den 3900 Meter hohen Pass und stehen Stunden spaeter kurz vor Chachapoyas vor der naechsten zugeschuetteten Fahrbahn. Es ist schon dunkel und keiner hat Lust noch eine Nacht auf der Strasse zu verbringen, also rueber ueber den Lehmabgang, rein in ein Micro und ab nach Chachapoyas. So waren es fuer mich statt der angekuendigten 12 Stunden Fahrt fuer die rund 300 Kilometer von Cajamarca nach Chachapoyas epische 40, da koennen die Argentinier in Bolivien, die fuer die Strecke Villazon nach Potosi 27 anstatt der angekuendigten 10 gebracht haben, nicht mithalten.

img_9304Von Chachapoyas aus, was noch auf ueber 2000 Meter liegt, fahren wir zur Pre-Inka Festung Kuélap, in der mehr Steine verbaut sein sollen als in den Pyramiden von Gise, und gehen abends noch weg, Los Troncos heisst der Schuppen und scheint der angesagteste der Stadt zu sein. Jedenfalls haben das alle auf dem Plaza de Armas unendliche Male im Kreis laufende gesagt die wir gefragt haben. Aber wir sind in den Bergen, weit weg von groesseneren Staedten, auch wenn es die Hauptstadt des Destrikes ist. So sind nur Paare auf der Tanzflaeche und wir muessen uns erstmal damit begnuegen ein jarre Pisco-Sour nach dem naechsten zu trinken. Peru ist bei einigen, bei vielen Angelegenheiten speziell. Hier ist es nicht moeglich, dann eine Frau und ein Mann freundschaftlich zusammenleben. Wenn ich erzahle, dass ich mit einer Freundin in Berlin wohne ernte ich nur Augenblinzeln, Schulterklopfer und Grinzen. Auch wenn ich beteuer, dass es eine Freundin ist, geht das nicht in den Kopf der Peruaner rein – unmoeglich! Man(n) geht hier auch nicht einfach mit einer Freundin mal weg – unmoeglich! Junge Frauen und Maenner machen hier nichts anderes miteinander als ihrer konservativen Geschlechterrolle gerecht zu werden. So passiert es auch oft, dass Maenner die in einer Wohnung zusammenwohnen fuer schwul gehalten werden, wieso sollten sie sonst unter einem Dach leben?! Spaeter kommt der Abend noch ins Rollen, so dass wir am naechsten Tag auf der Wanderung von Pedro Ruiz aus zum Gocta, den dritt-hoechsten Wasserfaellen der Erde, ziemlich alt aussehen. Schoen ist es trotzdem und ich bekomme die groesste und hoechste Dusche meines Lebens.
In Perdo Ruiz staut sich alles. Der Pass nach Cajamarca ist wieder zu, Richtung Chiclayo an der Kueste gibt es auch Probleme. So bildet sich vor meinen Fenster eine grosse Schlange wartender LKWs deren Fahrer in aller Ruhe den wegen den Versorgungsengpaessen steigenden Benzinpreisen zugucken koennen.

img_9377Den Tag darauf findet sich ein Bus nach Tarapoto, dem wirtwschaftlichen Drehpunkt des noerdlichen Jungels. Die Verkehrmittel werden rarer. Tarapoto liegt auf 500 Meter, so geht es die meiste Zeit der acht Stunden bergab. Es wird waermer, die Wolken steigen hoeher und die Palmen werden zahlreicher. Ueberall neben der Strasse trocknen die Leute Mais, Café und irgendwelche nussartigen Kugeln. Gluecklicherweise ist es bewoelkt, aber als hin und wieder die Sonne aus den Wolken guckt kann ich mir eine ungefaehe Vorstellung machen, was noch auf mich zukommen wird. In Tarapoto angekommen muessen wir laut sprechen und das immer, denn sonst ist das eigene Wort bei dem hoellischen Laerm der Motortaxis nicht zu verstehen. Es gibt nur sie, fast keine Autos. Die Haeuser im Zentrum haben meist drei bis vier Stockwerke in denen der Schall sich wunderbar wohlfuehlt. Nachdem wir am Abend noch am Stadtrand bei einer Party waren kann ich auf dem Dach in meiner Haengematte wegen meinen motorisierten Freunden nur schwerlich schlafen. Die Hitze tut ihr uebriges.
Ob und wie wir nach Yurimaguas kommen bleibt zu meiner Verwunderung relativ unklar. Immer wieder geht das Geruecht herum, dass die Strasse gesperrt sei. Gedanken an die Reise von Cajamarca nach Chachapoyas werden wach. Bauern aus dem Umland laufen demonstrierend durch die Stadt, doch kein Einheimischer vermag uns auf die Verbindung der Demonstranten und der gesperrten Strasse zu offenbaren – Peru. Also organisiert uns die frivole Frau aus dem alojamiento ein Taxi bis zur Sperrung. Dort wollen wir dann umsteigen. Auf der Fahrt bekomm ich dann zu hoeren worum es sich wirklich handelt. Die Indigenen der Region sind in Streik getreten weil Praesident Garcia Land, was ihrer Meinung nach ihnen gehoert, an auslaendische Landwirtschaftsunternehmen verkaufen will – ihm fehlt wohl Geld. Frage mich, wen das in Lima wohl wirklich interessieren mag, wenn ein paar Bauern am Rande des Dschungels streiken. Es gibt dann hoechstens weniger Kokosnuesse. Am ersten Streikposten angekommen duerfen wir zum Glueck passieren und muessen in ein Motortaxi umsteigen. Rucksaecke hinten rangeschnallt und los geht die Fahrt. Mittlerweile sind wir noch tiefer und die Hitze ist brachial. Im Hintergrund sind die letzten Zuege der Anden im dicken Nebel verhuellt und tragen die Erinnerung kuehlerer Tage in den Bergen. Es ist wie im Traum, die Palmen sausen an uns vorbei, Moskitos summen, img_9396die Sonne steht tief, tunkt alles in ein warmes Licht. Stecke meinen Kopf so weit wie moeglich in den Fahrtwind – es ist wunderbar. Dieses Gefuehl hat mir auf der Reise bisher gefehlt, bin an einem Ort angekommen der meines Fernwehs Ursprung zu sein scheint. Das Motortaxi rast durch die Kurven und ich tauche schwungvoll ein in eine Welt, in der ich noch nie war, die mich verzaubert, umarmt und in ihrer vollen Schoenheit begruesst. An den naechten vier Streikposten kommen wir auch vorbei, manchmal eine Gebuehr bezahlend, jedes Mal das kleine Stueckchen zwischen den Dorfern mit dem Motortaxi flitzend. Ploetzlich wollen uns unsere Fahrer nicht weiterbringen weil sie meinen, dass sie die naechste Kurve nicht passieren koennen. Es sei ein anderes Dorf sagen sie. Mehr bekomme ich aus den beiden nicht heraus – Peru. Also Rucksack wieder auf den Ruecken und ab durch den Dschungel, eine Abkuerzung die zum Glueck kurz vor 30 de Agosto, dem naechsten Dorf, wieder auf die Strasse fuehrt. Dort wollen uns die Einheimischen aber nicht mehr durchlassen. Es gibt kein Transport sagen sie, wir sind vorher an mindestens drei Motortaxis vorbeimarschiert. Also heisst es entspannen. Zu Essen gibt es in dem Dorf reichlich. Ganze zwei kleine Tueten Kekse, eine Flasche Wasser und eine Cola koennen wir auftreiben. Da sich hier gar nichts bewegt geht es erstmal ab zum Fussball mit den Einheimischen. Die Sonne geht langsam unter, streichelt den Nebel hinten an den Bergen und laesst die Wolken in verschiedener Hoehe in allen vorstellbaren Orangetoenen erleuchten. Die unzaehligen Insekten zirpen aus den Graesern, nur uebertoent von einer Ansage eines Lautsprechers, dass um zehn Uhr eine Versammlung abgehalten werden soll. Zwei Stunden spaeter kommt zum Glueck doch noch ein Laster auf den wir aufspringen koennen, der eine Genehmigung hat die Posten zu passieren. Rund 50 Leute sind schon auf der Ladeflaeche, aber ein wenig Platz ist noch und so gelangen wir am spaeten Abend, zum Glueck von Antonio – der mit seinen 54 Jahren dieser Odyssee der letzten Tage nichts mehr abendteuerisches abgewinnen kann, nach Yurimaguas, dem Abfahrtsort der Boote nach Iquitos.

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