„In Colombia two worlds exist. One is of beauty and privilige. It is inhabited by the classes who enjoy a healthy income and a sense of security. It is a bright world of modern cities, beaches, carnivals, restaurants and nicht clubs. Another world coexists, a world in shadow inhabited by the campasinos, displaced and combatants; one of poverty, violence, fear, repression and invisibility.“ (Jason P. Hove Colombia – Between the lines, 2008)
Ich schneie in dieses Land, sehe gruene Huegel, bunte Haeuser, Theater, Kunst; denn sicherheitshalber bleibe ich in den Bergen, geniesse die erste Welt ohne die zweit kennen zu lernen. Eigne mir ein verzerrtes Bild eines Kolumbiens an, welches in seiner Unvollstaendigkeit falsch ist. Ich will nicht im Strassengraben liegen mich vor dem Feuergefecht zwischen der FARC und den Regierungstruppen versteckend. Ich will aber auch nicht so tun als ob diese Moeglichkeit nicht existiert und all denen mit einer touristischen Parallelwelt unrecht tun, vergessen, all diejenigen die vieleicht jetzt grade wieder ihr zu Hause unter Zwang verlassen muessen.
Kolumbianisches Schicksaal. Komme gerade vom Plaza Bolívar zurueck, einem der grossen zentralen Plaetze in der Hauptstadt. Ueberall standen Bilder von Menschen, die laut der Ausstellung irgendwo in den Muehlen der Justiz physisch verschwunden sind. Das Datum, wann diese Menschen das letzte Mal gesehen wurden variiert, reicht jedoch bis zu diesem Jahr. Die Tauben flogen. Alles scheint normal – es gab keine grosse Aufregung – Kolumbianischer Alltag.
Der Konflikt wird auch als ’55 Jahre alter Buergerkrieg‘ bezeichnet da sich die Revolutionary Armed Forces of Colombia (FARC) in der Periode La Violencia, die zwischen 1948 und 1958 eingeordnet wird, gebildet hat. Seit dem hat das Land etwa 200.000 Tote und rund 3.000.000 zwangsumgesiedelte Buerger zu beklagen. Das ist die weltweit zweitgroesste Population zwangsumgesiedelter Menschen nach dem Sudan, Afrika. Es werden immer noch jedes Jahr tausende getoetet und unzaehliger ihrer Heimt beraubt. Die UN charakterisiert den Kolumbianischen Konflikt als die weltweit am wenigsten dokumentierte humanitaere Krise.
Seit der Unabhaengigkeit erschuetterten mehrere Buergerkriege das Land. 1899-1902 der Krieg der Tausend Tage, in dem Kleinbauerland gewaltsam durch Grossgrundbesitzer im Zuge des Kaffeeboomes enteignet wurde – geschaetzte 100.000 Tote. 1928 das Massaker von Ciéngaga/Santa Marta als Resultat eines Arbeitskampfes der Arbeiter auf den Bananenplantagen der United Fruit Company. 1948-1952 La Violencia, der Buergerkrieg zwischen konservativen und Liberalen ausgelöst durch die Ermordung des liberalen Präsidentschaftskandidaten Jorge Eliécer Gaitán und seine angekündigte Agrarreform und den darauf folgenden blutigen Unruhen in der Hauptstadt. Die Gewalt setzte sich in den folgenden Jahren in ländlicheren Gebieten fort. 1960-1970 der Smaragskrieg und seit 1983 der Drogenkrieg und Gründung von paramilitärischen Einheiten, welche die Beseitigung oppositioneller Gruppen verfolgen.
Die Parteien sind die Polizei und das Militaer, die Autodefensas Unidas de Colombia (AUC), ein Dachverband paramilitärischer Gruppierungen unterschiedlichen Ursprungs und die Guerillagruppen ELN und FARC. Die Ejército de Liberación Nacional (ELN) formierte sich 1964, motiviert von der Kubanischen Revolution, aus einer Gruppe Intelektueller der Mittelschicht. Am 27.05.67 attackiert das Kolmbianische Militaer mit US Unterstuetzung die Region Marquetalia, Tolina, nachdem Bauern vor Regierungsrepressionen in den 40ern und 50ern, La Violencia, dorthin geflohen waren. Aus einer kleinen Gruppe bewaffneter Bauern, die die Marquetalia Angriffe ueberlebt haben, bildete sich die FARC, die Guerillagruppen Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo (FARC-EP). Die Drogenmafia ist keine eigenständige Partei in diesem Konflikt, ist aber mit einer oder mehreren dieser Parteien verbündet, bzw. hat sie ganz oder teilweise zersetzt, da die Aktivitäten der Guerilleros und der Paramilitärs seit Anfang der 1980er Jahre verstärkt durch den Anbau und den Verkauf von Drogen, insbesondere Kokain, finanziert werden.
Der Konflik gewann an Dynamik weil in den 80ern und 90ern verschoben gross-angelegte Aktionen des Amerikanischen ‚War-on-Drugs‘ der AUC Grossteile der Coca Produktion aus Bolivien und Peru und den Sueden von Kolumbien, in den FARC kontrollierten Putamayo Gebiet. Die Rebellengruppen erhoben Steuern auf die Produktion und den Transport von Coca was ihnen aus der finanziellen Defensive half.
Die linksgerichteten Guerillagruppen kämpfen gegen das kolumbianische Militär. Die rechtsgerichteten Paramilitärs stehen im Konflikt mit den Guerillagruppen. Beide Parteien verüben jedoch auch Anschläge auf die Zivilbevölkerung und verletzen die Menschenrechte. Es wird davon ausgegangen, dass etwa 20.000 Menschen auf Seiten der Guerilleros und – selbst nach ihrer vermeintlichen Demobilisierung – circa 8.000 bis 9.000 Menschen auf Seiten der Paramilitärs kämpfen. Die Guerillagruppen sind in Kolumbien stark vertreten und kontrollieren Teile des Landes. Nach eigenen Aussagen handelte es sich dabei Anfang des Jahrzehnts um die Hälfte des Territoriums, mittlerweile ist ihre territoriale Kontrolle aber deutlich gesunken. Insbesondere in den Grenzgebieten zu Ecuador, Venezuela und Panama sind die Guerilleros stark vertreten, in diesen Gegenden wird auch besonders viel Koka angebaut. Die kolumbianische Regierung behauptet, dass die Guerilla durch Venezuela und Ecuador geduldet, bzw. unterstützt wird, was die jeweiligen Regierungen jedoch zurückweisen. Die Paramilitärs werden von Teilen des kolumbianischen Militärs geduldet, wenn nicht sogar unterstützt. Nachgewiesen wurde auch eine direkte Unterstützung durch transnationale Unternehmen, darunter Chiquita. Da die Betroffenen kein Interesse hatten, diese Verbindungen offenzulegen, gibt es hier viele Mutmaßungen. Seit 2002 haben die in der AUC zusammengeschlossenen Gruppierungen ihre Entwaffnung angekündigt. Im Gegenzug können sie mit einem reduzierten Strafmaß rechnen. Auch die Paramilitärs finanzieren sich zum großen Teil aus dem Kokaanbau und dem Handel mit Kokain. Viele Drogenbarone haben sich in die paramilitärischen Strukturen eingekauft beziehungsweise sich zu diesen bekannt, um die den Paramilitärs gewährte Strafminderung genießen zu können und einer Auslieferung an die USA zu entgehen. Obwohl die Demobilisierung im April 2006 offiziell abgeschlossen wurde, gibt es weiterhin paramilitärische Gruppen in Kolumbien. Der UN-Menschenrechtskommissar für Kolumbien geht sogar davon aus, dass die Demobilisierung nicht zu einer verringerten Präsenz der Paramilitärs geführt habe. Der Paramilitarismus hat das Parlament, die Polizei und die Streitkräfte unterwandert. Paramilitärs behaupten, sie hätten 35 % der Parlamentarier gekauft. Neun Parlamentarier müssen sich wegen ihrer Verbindungen zu Paramilitärs vor Gericht verantworten. Die Anschuldigungen lauten auf Konspiration, Erpressung, Entführung in besonders schweren Fällen und Geldwäsche. Weitere 32 Politiker sollen eine Übereinkunft mit Paramilitärs getroffen haben. Die USA unterstützen die kolumbianische Regierung mit Waffenlieferungen, Hubschraubern, Piloten und Ausbildern. Dies geschieht mit dem offiziellen Ziel, den Drogenanbau und die Drogenkriminalität zu bekämpfen. Insbesondere die Guerillagruppen, die sich selbst als linksgerichtet bezeichnen, werden von den USA als Narcoterroristas („Drogenterroristen“) bezeichnet, um den kriminellen Charakter der Organisationen in den Vordergrund zu stellen. Eine zentrale Rolle im bewaffneten Konflikt in Kolumbien spielt der sog. Plan Colombia der kolumbianischen Regierung aus dem Jahre 1999, der es der Armee ermöglicht, im Inneren in polizeilichen Aufgabenbereichen aktiv zu werden. Die USA unterstützen den Plan Colombia mit mehreren Milliarden Dollar Militärhilfe finanziell, personell und mit Rüstungslieferungen. Ein Teil der personellen Unterstützung wird durch private Sicherheits- und Militärunternehmen geleistet. Bedeutender Bestandteil des Plan Colombia ist die Vernichtung von Drogenanbaufeldern durch Besprühung mit Pflanzenvernichtungsmitteln im Rahmen der Bekämpfung des Drogenhandels. Auch wird gemutmasst, dass die USA ein Interesse an regionalem Einfluss haben, da Kolumbien mitunter eines der groessten Trinkwasserreservate der Welt ist. (Quellen: Jason P. Hove Colombia – Between the lines, 2008, Wikipedia, http://www.colombiajournal.org)
Das Durcheinander ist real. So treffe ich Reisende, die in Cali von zwei Typen auf Motorraedern und mit Pistolen dazu aufgefordert werden mit zum Geldautomaten zu kommen, die bei ihrer Ankunft in Medellin Zeuge eines Auftragsmordes mit einem Messer neben ihnen werden oder die zwei Leichen im Strassengraben entdecken wo es keine Spurt von einem Verkehrsunfall gibt. Die Situation ist lange nicht mehr so schlimm wie zu Zeiten von Pablo Escobar in den 80ern, in denen Menschen jeden Tag verschwanden, es nur sechs Stunden Strom am Tag gab, die Anarchie das Land fast zu Grunde richtete, aber die Nachbeben erschuettern weiter das Land.
Verwaltung von Resourcen. In einer isolierten Parallelwelt tummeln sich die meisten Touristen. Die Geschwindigkeit meiner Reise in den letzten Tagen hat mich muede gemacht, nicht koerperlich sondern geistig da alles zu schnell an mir vorbeigerauscht ist ohne eine Chance Menschen und Umgebung zu fuehlen. So fuehle ich mich in Bogota wie nach einer Flugzeuglandung, versetzt an einen Ort, der raeumlich noch zeitlich nicht in Verbindung mit dem steht wo ich vorher war. Diese psychische Muedigkeit hat mich in ein Hostal getrieben, welches einfach zu finden ist, ich weiss was mich erwartet und auch sonst keine Ueberraschungen zu erwarten sind, kurz, ich hab mal in meinen Reisefuehrer geschaut und bin zum billigsten dort aufgefuehrten gegangen. Platypus Hotel Bogota. Das Haus ist schoen, die Mitarbeiter sind nett, aber ich komme mir vor wie auf einem Bahnhof. Jeden Tag kommen neue und gehen Leute. Im ersten kleinen Innenhof muss man oft ueber neue Ruecksaecke steigen. Es wuselt und bewegt sich ueberall, dauernt klingelt die Tuer, der Aufenthaltsraum ist oft voll. Bin nervoes und fuehl mich nicht richtig angekommen. Kann mich kaum auf Sachen konzentrieren, fuehlen, und das liegt nicht an dem Gratis-Kaffee in der Kueche. Je nach Hostal trifft man auf unterschiedliche Menschen. So wird die Wahl einer Unterkunft immer auch eine Wahl der Menschen die einen umgeben, so bescheuert das auch klingen mag. Hier sind all diejenigen versammelt, die nach Reisefuehrer reisen – heisst nicht nur ‚mit‘ sondern ’nach‘ einem. Das fuehrt dazu, dass die ganze Welt reisefuehrerstudierrend versucht Zeit, Geld und Erlebnisse und somit auch Sozialprestige zu maximieren. Sie reisen nach Plan, nach einem ausgekluegelten Mechanismus – Panama, Flug, Kolumbien, runter nach Bolivien, Flug Brasilien, wieder zurueck nach Mexiko City und wenn dann doch das Geld alle ist nach Hause. Brainstorming – was gibt es genau wo zu sehen, lohnt es sich? Es werden Erlebnisse ausgetauscht welcher meistens ein Austausch von Reisestationen, und deren Problemen dorthin und wieder weg zu kommen, ist. Reise fuer den Erlebnislebenslauf – sie reisen wie sie arbeiten – Optimierung, Wettbewerb, Kapitalisierung von Zeit, Leben, Lebenszeit. Bentham und Smith haetten ihre Freude gehabt. Finde kaum ein Platz mit meinem Buch und meinem Kaffee. Ueberall sitzen die Leute mit ihren Laptops, schauen sich Karten von Bogota an, die zur Not, wenn mal Internet mal ausfallen sollte, auch noch auf Papier an der Wand haengen. Ob das jemand bemerkt hat?
Im Platypus sind zu viele ‚Haben-Reisende‘ um mich wirklich wohl zu fuehlen, fast keine ‚Sein-Reisende‘. Ich will ein aktives Sein-Denken entwickeln, das ist das Ziel meiner Reise. Da ich in Deutschland sozialisiert bin, in der westlichen Welt, sehe ich kaum Wege in dieses Sein-Sein, weg von dem Haben-Sein, zu stossen ohne wenigstens ein wenig zu haben um darueber das ’sein‘ zu lernen, meine Haben-Beduerfnisse zu befriedigen, sie zu durchschauen und sie darueber weniger maechtig in und gegenueber meinem ‚Ich‘ zu machen. Ich will das Urbild meines eigenen Ichs fuer mich sichtbarer machen, naher an ihm handeln und leben. Ich gehe weiter auf meinem Weg mich im Selbst greifbarer zu machen, ein bewusstes Sein zu entwickeln um ueber meine Haben-Wuensche bewusster entscheiden zu koennen, zu wissen ob sie zutraeglich fuer mein Sein sind oder ob ich Sein aufgeben muss um sie zu haben. Ich kann meine eigene Sozialisation nicht rueckgaengig machen, will es auch nicht, aber ich will sie bewusster leben und sie in Frage stellen koennen.
So starte ich erneut nach ein paar Tagen in Bogota voller Kurzweil um mehr Ruhe zu finden, Ideen und Gefuehle zu meinem eigenen Herzen, in meiner Seele, in eine Form zu bringen, die sie fuer mich anwendbarer machen, mich selber verstehen laesst, in die Lage versetzen laesst ein aktives Wollen zu entwickeln, welches mein eignes ist, fern von gesellschaftlichen Zielnormen, oeffentlichen Meinungen und Lebensvorstellungen.